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Foto Volgger David , Recensione: Marco Nobile, Teologia dell’Antico Testamento , in Antonianum, 74/2 (1999) p. 347-350 .

Wer heutzutage eine Theologie des Alten Testaments im Sinn hat und diese auch der Öffentlichkeit vorlegt, nimmt nicht bloß ein immenses Arbeitspensum auf sich, sondern muß sich zudem auch noch der Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Unternehmens stellen. Nicht wenige Wissenschaftler, die sich mit biblischen Texten beschäftigen, leugnen nämlich beim heutigen Forschungsstand die wissenschaftliche Vertretbarkeit einer Theologie des AT und sprechen damit einem Menschen, der sich trotz dieser Warnung zu einer solchen Theologie verleiten läßt, die Wissenschaftlichkeit ab.

Marco Nobile ist sich dieser Infragestellung bewußt und nimmt sie gleich zu Beginn seines Werkes auf: Ist heute eine Theologie des Alten Testaments möglich? (S. 18; Übersetzungen von D.V.) Der Autor (d.A.) gibt in seiner Antwort zu erkennen, daß diese Frage keineswegs dazu geeignet ist, diejenigen Menschen, die die Bibel - allgemein gesagt - ernst nehmen, von denen zu unterscheiden, die mit diesen heiligen Schriften nichts anzufangen wissen. Vielmehr sind innerhalb ein und derselben Glaubensgemeinschaft verschiedenste Antworten möglich, vom klaren Ja bis zum definitiven Nein über eine Mittelposition, die sich erst nach der Kenntnisnahme konkreter Ausführungen einer Thelogie des AT zu einer Antwort bewegen läßt. Letztere Position läßt zumindest eine offene Lektüre eines derartigen Werkes zu. Der Autor einer Alttestamentlichen Theologie gibt natürlich von vornherein zu erkennen, daß er seine Arbeit als lohneswertes Unternehmen ansieht. Demnach könnte eigentlich nur die Durchführung, die Art und Weise, wie man eine derartige Theologie ins Wort faßt, in Frage gestellt werden. Bleibt es jedoch bei der Beantwortung der Bedingung der Möglichkeit einer alttestamentlichen Theologie in der heutigen Zeit? Oder läßt sich hinter dieser Frage noch ein grundsätzlicheres Unbehagen orten? Wie der 10. Band zum Jahrbuch für Biblische Theologie „Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments?“ (1995) zu erkennen gibt, ist die diesbezügliche Diskussion erst eröffnet und ein Ende derselben ist keineswegs absehbar.

Trotz dieser neuen, vielschichtigen Diskussion um die Frage nach einer Theologie des Alten Testaments wagt d.A. einen neuen Versuch in diese Richtung und sucht zunächst dem literarischen Genus „Theologie des AT“ historisch auf die Spur zu kommen. Mit der Person J.Ph. Gabler (1787) verbindet d.A. den ersten Schritt in Richtung einer von der Dogmatik emanzipierten Bibeltheologie. Die Erforschung der jüdisch-christlichen Religion soll aus systematischer und historischer Perspektive geschehen. Die historische Erforschung der Bibel schloß sich dabei den jeweils herrschenden Geschichtsphilosophien (Hegelianismus, Positivismus) mehr oder weniger an. Mit der Trennung von Dogmatik und Bibeltheologie war es noch nicht getan, die Bibelwissenschaft wurde unter historischen Aspekt noch einmal in alttestamentliche und neutestamentliche Theologie unterteilt. Reine Historie war den Alttestamentlern dann doch auch zuwenig, man müßte auch den religiösen Gehalt der Schriften betonen. Die Schule H. Gunkels steht für dieses Konzept Pate. Ein gewisser Dualismus zwischen Historie und Glaubensystem habe sich durch die weiteren Jahrzehnte des 20. Jhs. gezogen. Erst mit G. von Rad sei eine gewisse Versöhnung dieser zwei Aspekte gekommen, indem er der Interpretation des Glaubens Israels eine wesentliche Geschichtlichkeit zuerkannt habe (S. 25). Freilich bleibt dann das Problem, wie man diese historische Dimension konkret bestimmt bzw. wie man aus den Schriften eine angemessene Systematik unter bestimmten ‚Schlüsselkategorien‘ wie Bund (W. Eichrodt S. 23f), Offenbarung des Gottesnamens (W. Zimmerli S.24), Heilsgeschichte (S. 28-31) u.ä. entwickelt. Mit zwei neueren Ansätzen zur Theologie des AT unterstreicht d.A. die unterschiedlichen Akzentuierungen in der Forschung: J. Vermeylen geht von einem historischen Einteilungsraster aus und deutet von daher die Entwicklung des Glaubens Israels. B.S. Childs betont die Bedeutung des kanonischen Endtextes und versucht damit der z.T. unsicheren historischen ‚Rekonstruktion‘ der Genese biblischen Glaubens zu entkommen. Die Frage, ob systematische Theologie des AT oder Religionsgeschichte Israels, bleibt ungelöst stehen (S. 33). Ich möchte hinzufügen,  vielleicht wäre jede Lösung dieser Frage noch fragwürdiger. Denn die verstärkte Differenzierung von Dogmatik und Bibeltheologie unter Anschluß letzterer Disziplin an die historischen Wissenschaften hat natürlich weitreichende Folgen gehabt. Die Bibeltheologie schloß sich nämlich nicht dem historischen Verständnis eines Flavius Josephus an, sondern einer historischen Wissenschaft, die bei allen Darlegungen übernatürlicher, göttlicher Einwirkungen oder Handlungen die Quellenschriften methodisch zum Überrest macht, d.h. ihre Sprache künstlich zum Verstummen bringt (vgl. J. Rüsen, Rekonstruktion der Vergangenheit, Göttingen 1986, 110). Das bedeutet aber nichts anderes, als daß der Historiker die ihm aus seiner Lebenswelt zugewachsene Wirklichkeitsauffassung auf die Quellen anwendet. Und diese seine Lebenswelt bzw. wissenschaftliche Weltsicht ist eine Welt ohne göttliche Einwirkungen. Der Anschluß der Bibeltheologie an diese mehr oder weniger explizit ausgedrückte Geschichtswissenschaft bringt zumindest dann einige Probleme mit sich, wenn die Bibel als Dokument einer Glaubensgemeinschaft wahrgenommen werden soll.

In einem eigenen Kapitel widmet sich Nobile der Hermeneutik, der Frage nach der Auslegung eines Textes, (S. 36-41). In einem interessanten Streifzug durch die Geschichte der Hermeneutik gelangt er in der neueren Zeit zu Autoren wie W. Dilthey, M. Heidegger, H.G. Gadamer und P. Ricoeur. Gadamer und v.a. dann Ricoeur entwerfen ein vielschichtiges Zusammenspiel zwischen Text, Kontext und Leser bzw. Hörer. Nobile sieht dabei v.a. in der Hermeneutik Ricoeurs wichtige Impulse für die biblische Textauslegung. Derzufolge beziehe die Wahrnehmung des biblischen Textes den Leser bzw. Hörer in den Prozeß der Offenbarung ein. Diese werde zur Möglichkeit einer Neuorientierung auf eine ‚neue‘ Welt hin. Ob dieser Zusammenhang jedoch den biblischen Gehalt der Offenbarung YHWHs im AT trifft, wie ihn d. A. auf den Seiten 177-187 ausführlich und treffend beschreibt, darf bezweifelt werden. Der Text der heiligen Schriften für sich genommen - ohne Wahrnehmung des Geistes Gottes - ist wohl bloß eine agnostische Größe, die vieles Unterschiedliche bewirken kann.

Der Abschluß der Einleitung und des gesamten Buches sind der hebräischen Frage (S. 42-44) bzw. der Frage AT - NT (245-256) gewidmet. Mit großem Gespür nähert sich d. A. diesen schwierigen Fragen. Das hermeneutische Kriterium einer Glaubensgemeinschaft sei legitim für die Wahrnehmung des AT. So liest der christliche Leser das AT vom Christusereignis her, der jüdische Leser hingegen in seiner Tradition der Schriftwahrnehmung. Wenn jedoch der universale Logos mit Christus in Jesus von Nazaret gleichgesetzt wird (S. 252), bleibt meiner Meinung nach zu fragen, wie sich dies auf einen Dialog zwischen Juden und Christen auswirkt. Wieviel an Herausforderung wird da dem Dialogpartner zugemutet bzw. abverlangt? Davon abgesehen unterstreicht d. A. die Notwendigkeit, die ‚jüdische‘ Tradition der letzten vorchristlichen Jh. vorurteilsfrei zu studieren und die Weiterentwicklung dieser Tradition in christlicher Zeit aufmerksam wahrzunehmen und daraus zu lernen.

Den Großteil der Arbeit widmet Nobile der theologischen Analyse des AT (S. 49-172). In diesem Abschnitt vermeidet er, Ergebnisse aus der vornehmlich historisch konzipierten Einleitungswissenschaft zu wiederholen (vgl. Nobile, M., Introduzione all´ Antico Testamento, Bologna 1995). Das Augenmerk gilt der Wahrnehmung des gesamten AT, sowohl in seiner Vielfalt und Komplexität als auch in seiner theologischen Gesamtaussage. Wird die Textvielfalt des AT zwar in die teilweise üblichen Kategorien Historische Schriften (Gen-2 Kön), Prophetische Schriften (Jes, Jer, Ez, Dodekapropheton) und Weisheitsschriften eingeteilt, macht d. A. immer wieder auf die Mehrdimensionalität verschiedener Texte des AT aufmerksam. Von besonderem Interesse ist seine kluge Behandlung des apokalyptischen Textmerkmals, das er im Kontext prophetischer (S. 139-142) und weisheitlicher (S. 166-168) Schriften jeweils behandelt. Gekonnt wird auch auf die weisheitliche Dimension in den historischen und prophetischen Schriften des gesamten AT hingewiesen (S. 145-153). Eindrucksvoll stellt d. A. die Bedeutung der Tora YHWHs auch für die prophetischen Schriften heraus (S. 126-129), ohne jedoch die eigentlichen Weisungen in Ex-Dtn inhaltlich ausführlich anzusprechen. Mit einem aufschlußreichen theologischen Einblick in das Buch der Psalmen schließt Nobile seine Analyse des AT ab. Wenn der Leser auf diesen gelungenen Abschnitt des Werkes blickt, so wird deutlich, daß hier das eigentliche Zentrum einer Theologie des AT liegt. Das AT, in seiner vorliegenden Gestalt, ist nun einmal schon Theologie.

Im systematischen Teil (S. 172-243) behandelt Nobile noch folgende zentrale theologische Themen: Die Offenbarung (S. 177-187); Gott und der Mensch (S. 189-211); die Welt im AT (S. 213-217); das Problem des Bösen (S. 219-223); Leben und Tod (S. 225-231); die Zeit (S. 233-238); die Spiritualität des AT (S. 239-243). Unter Wiederaufnahme der Ergebnisse des vorhergehenden Teiles nähert sich d. A. behutsam systematischen Fragestellungen und zeigt dabei durchaus Offenheit und Interesse für ‚Dogmatik‘ und ‚Philosophie‘. Ganz in diese Linie fügt sich auch das Kapitel über die Zeit im AT. Wenn sich d. A gegenüber dem vereinfachenden Raster ‚in Israel lineare Zeit - in Hellas zyklische Zeit‘ verwahrt, wird auch deutlich, daß der Abfall vom ‚Hebräischen‘ ins ‚Hellenistische‘ nicht der eigentliche Sündenfall ev. späterer Schriften des AT ist. Auch diese Unvoreingenommenheit d. A. wird der heutige Leser dankbar zur Kenntnis nehmen. Daß in einem solchen systematischen Überblick einige Texte wie z.B. Gen 1-3 besonders gehäuft vorkommen, versteht sich von selbst, da gerade diese Kapitel eine allgemeine einleitende Hermeneutik der Tora, wenn nicht der gesamten Bibel beinhalten. Von besonderem Interesse ist noch die Hervorhebung des Kultes im AT. Dieser sei ein zentraler Ort der Wirklichkeit alttestamentlichen Glaubens (S. 239). Eine derartige Einschätzung des Kults ist freilich nicht dazu angetan, die Bedeutung des wirkmächtigen Wortes YHWHs auch außerhalb des Kultes zu schmälern. Vielmehr ist das Kultgeschehen der Ort, der dem gläubigen Menschen das wirkmächtige Wort YHWHs über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zur objektiven und zugleich persönlichen Realität werden läßt (vgl. S. 240). Damit hat d. A. eine, wie es dem Rezensenten scheint, wesentliche Standortbestimmung alttestamentlicher Theologie vorgenommen: Das göttliche Wort in den heiligen Handlungen. Von daher wird noch einmal deutlich, daß das göttliche Wort, das AT, bereits schon Theologie ist und daß eine `Umordnung oder Systematisierung der alttestamentlichen Schriften´ wie z. B. bei Josephus Flavius in seinen Antiquitates einen vorbereitenden, werbenden Charakter besitzen, jedoch die Theologie des AT, wie sie in den Schriften des AT selbst zum Ausdruck kommt, niemals ersetzen können.

In diesem Sinne schickt d. A. den Leser am Ende seines Werkes von neuem auf die Suche nach Gott, um ihn mit eigenen Augen zu schauen (S. 256). Ohne Zweifel und ohne Einschränkung wird das Werk M. Nobiles ein ausgezeichneter Kompaß auf diesem Weg sein. Man kann Nobile zu seinem klaren, informativen und engagiert verfaßten Werk nur gratulieren und möglichst viele Leser wünschen.


 
 
 
 
 
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